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Didacta 2025

Didacta 2025: Lehrwerke für gestisch unterstütztes, erfahrungsnahes, medial modernes Lernen

Unberührt von den politischen Schatten, die die Anwesenheit der rechtsextremen AfD auf die Bildungsmesse didacta 2025 in Stuttgart warf, strahlten Ideen und Produkte der Verlage, Erziehungs- und Bildungseinrichtungen vergnügt und bunt in die Welt hinaus – so wie wir es Kindern und Jugendlichen wünschen.

Das mitunter auch politisch grüne Baden-Württemberg verlieh der Messe eine gut sichtbare Handschrift, sichtbar an ersten Produkten für die reformierten Lehrpläne insbesondere der naturwissenschaftlichen Schulfächer, zum Beispiel das Schulbuch „natura“ (mit Medien in der Nawithek) des Ernst Klett Verlags. Unabhängig davon, ob sich die neuen Lehrpläne so durchsetzen, wie nach Meinung der Verlagsvertretung noch offen ist, treffen Themenbände zu Neurologie und Ökologie den Geist der Zeit. Die Umsetzungen der lehrplanbestimmten Inhalte sind primär an eigener Aktivität orientiert und nicht an reinem Ansammeln von Wissen. Das Buch mit einem Einblick in den Begriff des Lebens der Biologie, mit der Vorstellung biologischer Berufe und einem Einblick in gesundheitliche Fragen wie Fitness im Alltag, also nachvollziehbaren Inhalten, die für die Schüler:innen in interessanter und multimedialer Weise klären, wie das Fach Biologie verstanden werden kann. Die didaktischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte sind in den Naturwissenschaften offensichtlich noch viel deutlicher als bei Sprachen und Mathematik. Die unreflektiert grausame Schmetterlingssammlung als Ikone der Biologie ist hier zurecht Jahrhunderte entfernt. Statt zig Blütenstengel aufzumalen, wird schnell annähernd wissenschaftlich mikroskopiert und experimentiert, Begriffe werden reflektiert und unterschiedliche Aufgabengebiete vorgestellt.

Auch der Fremdsprachenerwerb mit Hilfe neuer linguistischer Methoden wird immer unterhaltsamer und spielerischer. Ebenfalls zu Klett gehörig stellt Klett Sprachen die Französisch Reihe „Tout-en-un. Franzöische Grammatik anders unterrichten/trainieren“ vor, die multimedial, handlungsorientiert, nahe an jugendlichen Kulturpräferenzen und europäisch den Spracherwerb in die Nähe von Theater und Spiel bringt. Über die Internetplattform Allango werden zur Reihe Lerninhalte u.a. durch zwei deutsch-französische Rapper „Zweierpasch“ vermittelt, die 'ganz cool' sogar so eher langweilige Inhalte wie Personalendungen und Objektpronomen in erinnerbarer Weise vorsingen. Aspekte wie Betonung, Sprachklang und Silbenstruktur können auf diese Weise tatsächlich viel akzeptabler didaktisch übertrieben werden als von einer Lehrkraft, die entweder nicht verstanden wird oder gestelzt spricht. Man /frau kann vielleicht einwenden, dass bei den konkret ausgewählten Vorsängern in keiner Weise auf geschlechtliche Parität geachtet wurde. Da andererseits genau die spezielle Form des Auftretens mit französischer Sprache die Vorbildfunktion erfüllt, werden so Schülerinnen strenggenommen benachteiligt, da die Übernahme des Habitus von männlichen Rappern für Mädchen in der einschlägigen Altersgruppe eher nicht selbstverständlich ist und auch von den speziellen Medien nicht nahegelegt wird. Ansprechende Kinder/Jugendbuch-gestaltung und viel Interaktion und Überraschung, zudem eben grundsätzlich das Augenmerk auf gestische Aspekte des sprachlichen Ausdrucks und der sprachlichen Verstärkung, französisch quasi die „parole“, machen das Konzept der Hauptautorin Eva Müller aber insgesamt sehr überzeugend.

Exemplarisches Unterrichtsheft z.B. „Tout-en-un. Französische Grammatik anders trainieren. - Echt Französisch: Comics, Musik... - Mit Zweierpasch Lernvideos und Tutorials für künstlerische cartes mentales – Check-in und Check-out: Onlinetraining“.

Die Hefte sind an den Delf-Prüfungen orientiert und entsprechen in der Klassifikation nicht schulischen Lehrjahren sondern den Delf-Levels (A1 bis B1+).

Der große prinzipielle Fortschritt, dass der Wert des Gestischen in der Sprache zunehmend Anerkennung findet und in den Spracherwerb einbezogen wird, setzt sich auch in anderen Zusatzmedien durch – wenn auch, wohl aufgrund der Lehrplandichte, noch nicht genauso überzeugend in den auch föderal ja unterschiedlichen Schulbüchern.

Für den didaktischen Wert des Gestischen steht z.B. die bereits gut eingeführte App „Cabuu“ . Den gestischen Aspekt der Sprache hat deren Erfinder, Dr. Christian Ebert, als Computerlinguistik an der UniTübungen jahrelang erforscht. Seine Einsicht, auf der die Gestaltung der App aufbaut:

„Ein Ergebnis ist verblüffend: mit Gesten lernt man besser Vokabeln! Weitere Studien ergeben, dass die Fingergesten, die wir jeden Tag zum Bedienen von Tablet und Smartphone ausführen, denselben Effekt haben - solange sie inhaltlich zur Vokabel passen.“

Zusammen mit dem Softwareentwickler Chris Dilley und der Designerin Eva Schumm, deren Visualisierungen sich perfekt in populäre Icons von Scratch (der Programmiersprache für Jugendliche des MIT), erfolgreiche Kinderbuchgestaltungen und Comics fügen, wurden die wissenschaftlichen Studien in eine Lernapp umgesetzt: „Cabuu“ funktioniert „eigentlich“ wie andere bekannte und erfolgreiche Apps zum Vokabellernen, vom Karteikasten bis zur automatisierten „Phase 6“. Aber Cabuu ist doch revolutionär anders.

Zuerst einmal ist Cabuu leicht zu bestücken- die Vokabellisten werden gescannt und automatisch mit Audiodaten angereichert. QR-Code, Wörter eintippen oder Vokabellisten per Kauf sind ebenfalls möglich. Gelernt wird mit individuell einstellbarer Muttersprache Deutsch, Englisch, Französisch oder Latein. Die einzelnen Vokabeln werden auditiv und als interaktive Grafik präsentiert, abwechselnd mal als Bild, das mit der Hand nachgezeichnet wird, als Text, der getippt werden muss oder als Silbenrätsel, bei dem einzelne Wortbestandteile korrekt sortiert werden müssen. Nach einer Lernphase wird ein Text angeboten – strenge Vokabeltests in ausgewählte Sprachrichtungen kann man auch separat einstellen. Besonders unterhaltsam-instruktiv ist tatsächlich die visuelle Interaktion und das Vorlesen der Vokabeln, sowie das Silbenrätsel, das zum Beispiel bei Schüler:innen mit Problemen in der Rechtschreibung bis hin zu Legasthenie gezielt die strukturelle Wahrnehmung des Wortes fördern kann und damit die Lesefähigkeit.

Die App kann nur mit Software aus Apple oder GoogleStores installiert werden, ist aber dadurch auch zwischendurch, z.B. im Bus oder Zug – wo klassischerweise auch gerne mal schriftliche Hausaufgaben erstellt werden – verfügbar und, da sehr nah am Spiel, auch Kandidatin für freiwillige Unterhaltung in solchen Pausenphasen.

Zweites großes Thema der Didacta war die Umstellung auf elektronische Bildungsangebote.

Westermann stellte die erweiterte Bibox vor. Das mit Unterrichtsmaterialien erweiterte elektronische Lehrer:innen-Buch ist seit längerer Zeit erfolgreicher Partner von Lehrkräften – wenn auch letztlich immer noch etwas komplizierter in der Handhabe als das einfache, gedruckte Schulbuch, das man aufschlägt und durchblättert, ohne Größeneinstellungen und Bedienfelder an- und aufklappen zu müssen. Andererseits liegen Arbeits- und Unterrichtsmaterialien, eigene und vom Verlag zur Verfügung gestellte, in der Bibox jeweils quasi „absatzgenau“ bereit – also eine fifty-fifty Situation. Ein echter Gewinn ist natürlich die Möglichkeit, aufwandlos in den Büchern und Materialien zu „denken“, zu notieren und zu markieren, und alles später wieder zu löschen. Die Materialien des Verlags sind zudem sehr brauchbar. Die neue Bibox bietet nun auch noch die Möglichkeit für Lehrkräfte, bei Tests und Testkorrekturen auf Verlagsangebote zurückzugreifen. Die Korrekturen werden dann nach Aussage des Verlags quasi automatisch durchgeführt, sind also interaktiv mit automatischen Korrekturen angelegt und insofern vorerst nur als Hausaufgaben einsetzbar. Dass Tests standardisiert ausgewertet werden, ist für Schulen äußerst heikel – selbst wenn es Schülerinnen und Schüler partiell auf die Hochschulrealität vorbereitet. Wie sich selbst bei der App zeigt, kann es einfach falsch sein, wenn die Nichtunterscheidung von Abkürzungen und ausgeschriebenen Wörtern wie „zum Beispiel“ oder „etwas“ über die Gültigkeit von Antworten entscheidet. Zudem können Schüler:innen ihre leistungsbedingt schlechten Testergebnisse auch durch zusätzliche technische Fehler vertuschen, gegebenenfalls vor sich selbst. In gewisser Weise also eine Erweiterung, die dazu einlädt, sich auf weitere Covid-Szenarien der ausschließlich virtuellen schulischen Interaktion vorzubereiten.

Auch sehr affin gegenüber vernetzter Kommunikation ist das Grundschulbuch „Pixel & Co. Informatik in der Grundschule“ von dem Autor:innenteam Katja Köhler, Ute Schmid, Lorenz Weiß und Katharina Weiß, erschienen 2023 bei Westermann.

Es schafft den Sprung vom grundlegensten Begriff des Codes oder Zeichens zur komplexen Programmidee – und zwar für Grundschüler:innen. Kapitel 3 stellt z.B. Entscheidungsbäume mit acht Zuständen vor, also Strukturen der Wahrscheinlichkeitsrechnung, die üblicherweise im Gymnasium in der sechsten Klasse eingeführt werden. Kapitel 6 stellt Algorithmen und Zählschleifen in Bauanleitungen vor, Kapitel 7 erklärt, wie ein Computerprogramm Listen sortiert. Das Heft enthält eigentlich auch alle wesentlichen quasi lexikalischen Informationen über Hardware und Software, ist eigentlich ungefähr so konzipiert, dass die Grundschulabsolvent:innen Sekretariate führen können – diese gewisse polemische Ironie kann natürlich nicht ausbleiben – da die Kinder bei aller Einfachheit der Beispiele mit Begriffen geflutet werden, die dem Lernumfang einem ersten Fremdsprachenjahr am Gymnasium entsprechen. Auch für die Lehrkräfte gibt es ein Beiheft, das den ungefähr dreifachen Umfang hat und natürlich Lösungen für die Aufgaben enthält. Tatsächlich ist das Heft und das Programm hervorragend für Menschen, die Informatik in den wesentlichen Zügen überschauen wollen, um einzelne Aspekte auf höherem Niveau zu entwickeln - ohne die entsprechenden Icons und altersgerechten Ausdrücke. Z.B. steht in einer Handlungsanweisung zu einem Algorithmus: „Die packst du alle wieder in das Säckchen“, Themen sind Vornamen, Geburtstage, Dinge werden möglichst „schlau“ durchgeführt – insofern hat das Buch ein kinderfreundliches Auftreten.

Die meisten Sätze aber haben die Form: „Ein bekannter Algorithmus für sortierte Listen ist die binäre Suche“. Man darf vermuten, dass das Verständnis solcher Sätze vermutlich nur oberflächlich erreichbar ist, selbst bei intelligenten Schüler:innen, weil die damit verbundenen Vorgänge noch nicht wirklich verankerbar sind. Das Programm zeigt aber, dass Strukturen der Informatik nicht an sich übermäßig schwierig und zudem einfach darstellbar sind und könnte deshalb richtungsweisend sein für den Aufbau des Informatikunterrichts in den weiterführenden Schulen.

Seit Jahren wartet ein Projekt des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf verstärkte Umsetzung und Werbung innerhalb von Schulen und anderen Jugend- und Bildungseinrichtungen: „You Code Girls“. Das herausgebende Institut unter Prof. Julia Knopf der Universität Saarbrücken bietet ein eher konservatives Bild auf Informatik speziell für Mädchen an.

Die Handreichung für Lehrkräfte der Primarstufe ist vom Design her wie die neueste App sehr spielerisch und nett, mehr wie eine Mädchenzeitschrift mit grafischen Elementen aus Comics und sehr wenig Text, zahlreiche Anglizismen, aber kaum wissenschaftliche Begriffe. Um an das Thema heranzuführen, werden berühmte Frauen aus der Mathematik und Informatikgeschichte vorgestellt, Hardware und einfachste Geheimsprachen wie der Caesar-Code, Projekte mit offenen Fragen („Wenn ich ein Computer wäre“) bestimmen die Handreichungen, alle sehr hübsch gestaltet und so, dass die Mädchen nicht merken, dass sie sich mit Informatik beschäftigen.

Das online-Angebot für Mädchen , die das Projekt kennen, ist wesentlich besser und erlaubt auch z.B. den Austausch von eigenen Programmen, also ein viel höheres Niveau.

Die Handreichungen bieten aber keinerlei echte Analyse an sondern bleiben Teaser, als ob der konkrete Umgang mit Algorithmen wie im Grundschulbuch bei Mädchen der Primarstufe sofort zu Abneigung führen würde – eine „self-fullfilling prophecy“, die fast etwas Beleidigendes hat – was sehr schade ist, denn im Prinzip ist ein entsprechendes Projekt ja sehr gut, zumal Informatik bei Mädchen und Frauen ein beliebter Studiengang ist. Es wäre also zu wünschen, dass die Projektseiten im Internet, die unabhängig vom Unterricht von interessierten Schüler:innen genutzt werden können, auch über Schulen und Bildungseinrichtungen besser bekannt werden, um Netzwerkfunktionen zu erfüllen und auch komplexere Inhalte austauschbar und sichtbar zumachen. youcodegirls.de

Erwähnenswert ist noch, dass nicht nur in den neuen Lehrplänen einiger Bundesländer, sondern auch quasi extern angeboten wird- die Bundeszentrale für politische Bildung in der Heftreihe „einfach Politik“, z.B. ein Heft über „Erde und Menschen. Ein Heft über Natur, Klima und darüber, wie wir leben“, das ausgezeichnet als Material für Projekte oder Referate in Eigenarbeit der Schüler:innen geeignet ist. Umweltthemen in den Unterricht bringen ist auch ein Konzept der bekannten Umweltschutzorganisation Greenpeace, die in allen regionen Deutschlands sogenannte „green speaker“ hat, die darauf vorbereitet sind, die Arbeit von greenpeace und die zugrundeliegenden Umweltprobleme vor Schulklassen zu präsentieren und mit Schüler:innen zu diskutieren. Das Heft „Heissere Zeiten. Klima und Gesellschaft im Wandel“ bietet Bildungsmaterial ab Klasse 9 zum Thema Klima und Umweltschutz gezielt für Lehrkräfte. Je stärker die schwierige und unpopuläre Thematik in der Regierungspolitik vor anderen Themen zurückweichen muss, desto ernster sollte man die Gelegenheit nehmen, Schüler:innen für den Klimawandel und seine Ursachen sowie mögliche Maßnahmen zu sensibilisieren – junge Menschen haben nicht nur einen verfassungsmäßig verbürgten Anspruch darauf, sondern sind längst mitten in der Situation, wie sie sich angesichts von deutlich schlecht kalkulierten Wetterveränderungen zwischen Radikalismus und politischer Absenz in den „Heißeren Zeiten“ positionieren.

Schließlich noch ein wichtiges Thema, an dem sich zeigt, wie manche Probleme, die an politischen Stammtischen heißgeprügelt werden, längst durch die Kreativen in Verlagen und Schulen gelöst wurden. In Sachen sprachliche Integration ist dies zumindest auf einem guten Weg. Die didacta hat aufgrund derVielfalt der Bildungsmedien, die gerade an Grundschulen möglich sind durch die etwas weniger strenge Fixierung der Lehrpläne auf Texte und Autoren, im Medienangebot für die erste bis vierte Klasse einen deutlichen Angebotsschwerpunkt. Wenn auch die Informatik und die Nutzung von elektronischen Medien noch nicht wirklich Einzug gehalten hat – außer bei einzelnen Spielen – sind die Lesebücher doch sehr bemüht, das komplette Spektrum des möglichen Lesestoffs anzubieten und diesen erfolgreich zu vermitteln.

Ein großer Fortschritt in der Hinsicht sind „Differenzierte Lesebücher“, z.B. die Klett-Hefte „Niko“, die einzelne Texte in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen anbieten, zwischen zwölf groß gedruckten Zeilen über 24 Zeilen bis zu einem text mit Schachtelsätzen von ca 35 Zeilen. Die Textversionen sind begleitet von analytischen Fragen zu Textverständnis und Grammatik.

Ebenso sind Worterfassungsübungen, Rechtschreibung und Grammatik locker mit Texten assoziiert.

Diese Struktur ermöglicht es Lehrkräften, auf das Liestungsniveau der Schler:innen einzugehen und z.B. bei Sprachproblemen aufgrund eines Migrationshinterrunds den Text erst in der einfachen Fassung vorzustellen, dann darauf aufbauend die komplexere sprachliche Gestaltung nachvollziehbar zu machen. Es bleibt ein Problem, dass fast alle Texte einen Sonderbereich der kindlichen Phantasie ansprechen, in dem alles mit allem sprechen kann und nichts an physikalische oder historische Gegebenheiten gebunden ist. Sobald aber die semantische Ebene von Texten schon aufgrund sprachlicher Verunsicherung Kinder irritiert, ist die märchenhafte Struktur keine Gefälligkeit mehr gegenüber kindlichem Denken, sondern ein weiterer Verunsicherungsfaktor. Das ist vermutlich sogar ein Grund für den Erfolg erfahrungsbetonter, wenn auch partiell übertriebener Kinderbücher wie von Astrid Lindgren oder für alltagsrealistische Comics wie Greggs Tagebuch (oder Lottas Lotterleben). Wenn Geschichten partiell auf eigene Alltagserfahrungen zurückweisen, müssen die Erzählinhalte nicht zusätzlich zur Unsicherheit, ob sie überhaupt richtig semantisch interpretiert werden, noch auf ihre Wahrscheinlichkeit oder Nursprachlichkeit hin von den Kindern eingeschätzt werden. Die Flut von Gedichten und Märchen wird in nicht fast allen Lesebchern für die Grundschule allmählich zurückgedrängt von einer ziemlich illustren Mischung aus kleine Alltagsgeschichten, Sachtexten und Tierphantasie – die ein breiteres und offeneres Interpretationspotenzial bietet als die Alltagsgeschichten von realistischen Kindern, bei denen ebenfalls in allen Lesebüchern Jungen als Prototyp dominieren. Die Angst, Mädchen in noch dazu realistischer Form zu erzieherisch nicht idealem Verhalten einzuladen um einen unterhaltsamen Kindertext zu entwickeln, ist offenbar noch arg groß. Die meisten Geschichten und Gedichte, bis auf die Märchen, sind aber immerhin zeitgemäß und neu, thematisieren „Anderssein“ und verschiedene Lebensstile, Vegetarismus und Ernährungsgewohnheiten und Medienerfahrungen. Leider sind es 'immer noch' ältere Damen und Omas, deren angebliche Inkompetenz Kindern Mut macht, ihre Kompetenz zu entfalten,von der ewig schimpfenden Nachbarin bis zum „Tag, an dem die Oma das Internet kaputt gemacht hat“. Wie zu erwarten war, endet z.B. Niko in der Vorstellung von Gregs Tagebuch als Schreibkonzept, das die Schüler:innen für sich umsetzen können.

In der Mischung ähnlich sind die Trainingshefte für die dritte und vierte Klasse „Lesen im Tandem“ von Westermann, die zu einer Auswahl nicht zu langer Texte interessante Fragen anbieten und so konzipiert sind, dass jeweils zwei Schüler:innen sich vorlesen und kritisieren. Insbesondere das Arbeitsheft für die vierte Klasse stellt eine sehr schön einer realistischen Konzeption folgende Textauswahl vor, zahlreiche kleine Alltagsabenteuer von Kindern, einige davon gut gekürzte Ausschnitte aus Kinderbüchern, dazu Fantasie- oder Fabelgeschichten, die aber keine Märchen sind, sondern in moderne Alltags- und Erlebniswelten integriert. Die Texte sind ca 50 Zeilen lang – ideal, um nach zum Beispiel zwei- bis viermaligem Lesen noch für die Beantwortung von Fragen im Gedächtnis zu sein. Die Textauswahl ist tatsächlich im Vergleich die beste und üppig – insgesamt dreißig Texte unterschiedlicher Länge mit Fragen zum Text enthält das 95seitige Arbeitsheft für ur 6,50 €. Das Design der Texte unterstützt durch Farbwechsel die strukturierte Wahrnehmung und anhaltende Aufmerksamkeit, ermöglicht zudem auch das Tandemlesen im Wechsel, wenn Tandem auch von der Redaktion so gedacht ist, dass ein Kind trainiert, das andere das Training leitet. Das Niveau der Texte ist so, dass sie auch von Schüler:innen der dritten Klasse gelesen werden können z.B. zusätzlich als individuelle Erweiterung oder einfach aus Interesse an den Geschichten. Die Fragen zu den Texten sind vom Niveau her unterschiedlich, meistens relativ leicht, d.h. auch, dass sie kein vertieftes Verständnis des Textes erfassen, also z.b. nicht als Prüfungsmaterial geeignet sind, sondern eben die Kinder-Teamarbeit ermöglichen.

Sehr didaktisch orientiert und beliebt bei Lehrkräften sind die Lesemedien – Booksund Non-Books -vom Sternchenverlag. Zahlreiche Übungsmaterialien orientieren sich verständnisfreundlich an Wort-Bild-Verbindungen und stellen insofern einen weiteren Versuch dar, das Problem der unterschiedlichen Sprachkompetenz in Grundschulklassen für alle gewinnbringend zu lösen.

Der Verlag stellt sogar für die erste Klasse eine App zum Schreibenlernen vor. DieArbeitshefte „Ich kann lesen 3 /4“ enthalten verschiedene, inhaltlich eher konventionelleTexte mit einem gut austarierten Anforderungsniveau und zahreichen gut strukturierten Fragen zum Text.

Der Hauschkaverlag dagegen stellt mit „Lernzielkontrollen der 3. Klasse („Lesetests in Deutsch“) ein etwas überdurchschnittliches Niveau vor. Die Texte sind regulär anderthalb DinA4 Seiten lang (60 bis 81 Zeilen), die Fragen sehr detailliert und so umfangreich, dass sie nicht aus dem Gedächtnis beantwortet werden können nach einmaligem Lesen – also letztlich eine Materialsammlung.

Im Vergleich der Angebote zeigt sich, dass es letztlich überhaupt keine einheitliche Strategie gibt, welche Anforderungen eigentlich erfüllt werden sollen und wie man möglichst viele Schüler:innen einer Klasse dahin bringt- auch bei den auf der didacta schwerpunktmäßig für Baden-Württemberg vorgestellten Schulbüchern und Arbeitsheften.

Während die Westermann-Reihe Lesen im Tandem in der Textauswahl in Heft 4 überzeugend Märchenwelten und Desemantisierung hinter sich lässt, ist die Niko-Reihe des Klett-Verlags insgesamt die innovativste – auch die inhaltlichen Neuerungen führen noch deutlicher weg von der reinen Unterhaltung hin zu Demokratieerziehung und Bildung im weiteren Sinne.

Zu den vorgestellten Lesebüchern der Niko-Reihe gibt es jeweils ein Sprachbuch und Arbeitshefte, Standardfassung, sowie Fördern und Fordern, für Lehrer:innen didaktische Kommentare und Materialbände, für NRW auch Grundwortschatz-Karteien, sowie enBook-Varianten der Printausgaben und einen Digitalen Unterrichtsassistenten mit der aktuellen Erweiterung der Bibox (s.o.), einem „worksheet crafter“ bzw. Arbeitsblattgenerator.

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